EU-Konkret

Gesetzgebung

Wie verabschiedet Europa ein Gesetz? Welche Einrichtungen beteiligen sich an diesem Prozess? Die Gesetzgebung auf europäischer Ebene erfolgt anders als in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten.

Um in der EU einen Beschluss zu fassen, beteiligen sich vier EU-Institutionen:

  • das Europäische Parlament, das die europäischen Bürgerinnen und Bürger vertritt und direkt von ihnen gewählt wird;
  • der Europäische Rat, der sich aus den Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten zusammensetzt;
  • der Rat, der die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten vertritt;
  • die Europäische Kommission, die die Interessen der EU insgesamt wahrt.

Der Europäische Rat bestimmt den allgemeinen  politischen Kurs und die Prioritäten der EU-Politik. Er erfüllt keine gesetzgeberischen Aufgaben.

Im Allgemeinen macht die Europäische Kommission Vorschläge für neue Rechtsvorschriften. Über deren Annahme entscheiden das Europäische Parlament und der Rat. Die Mitgliedstaaten und wiederum die Kommission tragen die Verantwortung für die Durchführung der angenommenen Rechtsvorschriften.

Gibt es verschiedene Arten von EU-Rechtsvorschriften?

Ja. Die Vorschriftenarten unterscheiden sich in der Anwendung:

  • Eine Verordnung findet in allen Mitgliedstaaten direkt Anwendung. Sie ist  ein bindendes Gesetz.  Die Mitgliedstaaten wandeln eine Verordnung nicht in neues nationales Gesetz um. Sehr wohl ändern sich bei Bedarf nationale Vorschriften , damit sie mit der Verordnung übereinstimmen.
  • Eine Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten oder eine Gruppe von Mitgliedstaaten dazu, ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen. Um wirksam zu werden, sind Richtlinien in der Regel in ein neues nationales Gesetz umzusetzen. Anders ausgedrückt: Eine Richtlinie gibt das Ziel vor, doch wie der einzelne Mitgliedstaat es erreichen möchte, entscheidet er selbst.
  • Ein Beschluss richtet sich an Mitgliedstaaten, Gruppen oder Einzelne. Er ist in allen seinen Teilen verbindlich. Beschlüsse ergehen zum Beispiel zu beabsichtigten Unternehmensfusionen.
  • Empfehlungen und Stellungnahmen haben keine bindende Wirkung.

Wie werden EU-Rechtsvorschriften verabschiedet?

Jede europäische Rechtsvorschrift stützt sich auf einen bestimmten Artikel in einem Vertrag. Diese  „Rechtsgrundlage“ bestimmt, welches Verfahren Anwendung findet. Der Vertrag regelt die Art und Weise, wie der Weg zum Beschluss aussieht: Vorschlag der Kommission, Lesungen von Parlament und Rat, Stellungnahmen der beratenden Einrichtungen. Er legt zudem fest, wann Einstimmigkeit erforderlich ist und wann eine qualifizierte Mehrheit für die Annahme im Rat genügt.

Die allermeisten EU-Rechtsvorschriften werden nach dem „ordentlichen Gesetzgebungsverfahren“ angenommen. Bei diesem Verfahren teilen sich Parlament und Rat die gesetzgebende Rolle. Bevor die EU- Kommission einen Vorschlag unterbreitet, bittet sie oft zunächst Regierungen, Unternehmen, zivilgesellschaftliche Organisationen und Einzelpersonen um ihre Meinung zu dem Thema. Deren Stellungnahmen fließen in den Vorschlag ein, den die Kommission dann dem Rat und dem Parlament vorlegt. Die Kommission unterbreitet ihre Vorschläge von sich aus oder auf Ersuchen des Rates, des Europäischen Rates, des Parlaments oder europäischer Bürgerinnen und Bürger.

Rat und Parlament prüfen und erörtern den Vorschlag jeweils für sich. Kommt in der zweiten Lesung keine Einigung zustande, kommt der Vorschlag in einen Vermittlungsausschuss. Dort sitzen ebenso viele Vertreter des Rates wie Vertreter des Parlaments. Auch Vertreter der Kommission nehmen an den Ausschusssitzungen teil und tragen zu den Beratungen bei.

Hat der Ausschuss eine Einigung erzielt, legt er den vereinbarten Text dem Parlament und dem Rat zwecks endgültiger Verabschiedung in dritter Lesung vor. In den meisten Fällen stimmt das Parlament über die Vorschläge mit einfacher Mehrheit ab. Der Rat hingegen wählt mit qualifizierter Mehrheit, wobei jeder Mitgliedstaat entsprechend seiner Größe und Einwohnerzahl eine bestimmte Anzahl von Stimmen hat. Manche Fälle erfordern Einstimmigkeit im Rat.  

Wer wird um seine Meinung gebeten, wer kann Einwände erheben?

Neben den vier vorher genannten Einrichtungen geben beratende Einrichtungen für bestimmte Themen automatisch ihre Einschätzung ab,  vorausgesetzt der vorgeschlagene Rechtsakt fällt in deren Wissensgebiet. Bei der Entscheidung berücksichtigen das Parlament und der Rat deren Argumente bisweilen nicht. Diese umfassende Prüfung der EU-Gesetzgebung macht dennoch einen Teil der demokratischen Kontrolle aus.

Diese beratenden Einrichtungen sind:

  • der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss, in dem zivilgesellschaftliche Gruppen wie Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und gesellschaftliche Interessengruppen vertreten sind;
  • der Ausschuss der Regionen, der gewährleistet, dass die Stimme der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften gehört wird.

Darüber hinaus können weitere Institutionen um ihre Einschätzung gebeten werden, wenn sie inhaltlich oder fachlich von dem Vorschlag betroffen sind. Beispielsweise würde die Europäische Zentralbank erwarten, zu Vorschlägen konsultiert zu werden, die wirtschaftliche und finanzielle Fragen berühren.

Nationale Kontrolle

Die nationalen Parlamente erhalten die Entwürfe von Rechtsakten zur selben Zeit wie das Europäische Parlament und der Rat. Sie können sich dazu äußern und darüber wachen, dass die Beschlüsse auf der am besten geeigneten Ebene gefasst werden. Das Handeln der EU unterliegt nämlich dem Grundsatz der Subsidiarität: die Union darf (außer in den Bereichen, in denen sie ausschließliche Befugnisse hat) nur dann tätig werden, wenn ein Handeln auf EU-Ebene wirkungsvoller ist als auf nationaler Ebene. Die nationalen Parlamente kontrollieren, dass dieser Grundsatz zum Tragen kommt, wenn eine Entscheidung innerhalb Europas getroffen wird.